Der Begriff der «Demokratisierung der Architektur» taucht zunehmend in modernen EA-Diskussionen auf und wird auch von EA-Herstellern verwendet. Aber was heisst das eigentlich konkret? Und lässt sich Unternehmensarchitektur wirklich demokratisieren, ohne dabei an Qualität oder Steuerbarkeit zu verlieren?

 

Vom Elfenbeinturm zur Gemeinschaftsaufgabe

Traditionell wird Enterprise Architecture (EA) in einem kleinen, spezialisierten EA-Team gepflegt. Die Vorstellung: wenige Experten modellieren die Komplexität des Unternehmens. In der Realität kämpfen solche Teams oft mit Überlastung, unvollständiger Datengrundlage und fehlender Verankerung im operativen Geschäft und folglich wenig Akzeptanz und Mehrwert für das Unternehmen.

Die Idee der „Demokratisierung“ stellt dieses Modell auf den Kopf: Architektur wird zur gemeinschaftlich verantworteten Disziplin. So werden z.B. Applikationsverantwortliche oder Domänen-Owner direkt in die Pflege eingebunden und verantworten Aktualität und Richtigkeit ihrer Informationen. Moderne EA-Tools unterstützen das, indem sie beispielsweise Umfragen oder Formulare bereitstellen.

Kritischer Blick auf den Begriff «Demokratisierung»

So eingängig der Begriff auch klingt – er ist nicht unproblematisch. Was genau ist eigentlich «demokratisch» daran, wenn ein verteilter Kreis von Personen Informationen pflegt, die zentral strukturiert und interpretiert werden? Die Einbindung in die Pflege ist noch keine Mitgestaltung im eigentlichen Sinne. Der Begriff scheint somit eher ein Marketinglabel zu sein, als eine Beschreibung dessen, was wirklich passiert. Gerade deshalb ist es wichtig, sauber zu trennen: zwischen Beteiligung, Verantwortung und echter Mitbestimmung. Letztlich gibt doch ein zentraler Moderator die Strukturen vor und die „Owner“ dürfen diese dann befüllen.

Drei unbequeme Fragen bleiben 

  1. Lässt sich EA wirklich auf Formulare und Self-Service vereinfachen?
    Nur bedingt. Die Herausforderung liegt nicht im Tool, sondern in der Struktur: Welche Informationen sind überhaupt relevant? Wie lassen sich Beiträge sinnvoll aggregieren? Und wie stellen wir sicher, dass aus Daten auch echte Architektur entsteht? Ohne eine gute konzeptionelle Vorarbeit bleibt Demokratisierung schnell oberflächlich.
  2. Wie motiviert man Menschen, wirklich mitzumachen?
    Formulare allein reichen nicht. Mitarbeitende müssen verstehen, warum ihre Beiträge zählen – z. B. durch sichtbaren Nutzen, Rückmeldungen oder einfache Visualisierungen. Erfolgsfaktoren sind oft Kommunikation, interne Champions und – ganz trivial – Erinnerung und Dranbleiben.
  3. Wie sichern wir Qualität?
    Demokratisierte Architektur braucht kuratierende Rollen. Die Verantwortung verändert sich: weniger Kontrolle, mehr Moderation. Heisst auch: Es braucht klare Validierungsregeln, Abstimmungen im Team und ein Bewusstsein dafür, dass nicht alle Eingaben automatisch Wahrheiten sind. Es braucht auch Ausbildung und Awareness: Eine unserer Kundinnen führte z.B. mehrere Workshops durch, um die Application Owner (deren 80) auch ihre Aufgabe vorzubereiten.

ITMC-Takeaway

Die Demokratisierung der Unternehmensarchitektur klingt gut – es geht hier aber nicht um „Mitgestaltung“ sondern eher um ein „Mitwirken“ im vorgegebenen Strukturrahmen. Und auch dies ist kein Selbstläufer. Mitwirken funktioniert nur dann, wenn Struktur, Verantwortung und Kommunikation zusammenspielen. Tools helfen – sind aber kein Ersatz für methodisches Denken und partizipative Leadership. Mit diesem „Disclaimer“ und richtig umgesetzt entsteht aber genau das, was wir bei ITMC anstreben: Partizipative Architektur statt isoliertem Expertentum.

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